Michael Spitzer: Eine musikalische Geschichte der Menschheit

Michael Spitzer: Eine musikalische Geschichte der Menschheit. A. d. Engl. v. H. Dedekind, V. Topalova, S. Schmid. riva. 560 S., 24,99 Euro.

Die Art, wie unsere Spezies Musik macht und versteht, ist etwas ganz Besonderes, aber der Gedanke, dass man das von jeder „Musik“ einer jeden Spezies sagen kann, liegt Spitzer nicht fern. Interessant ist freilich auch, dass es gar nicht so viele Spezies gibt, die mit Hilfe akustischer Artikulation kommunizieren. Das hängt von verschiedenen Voraussetzungen statt, die Spitzer freudig ausbreitet.

Sein Buch nähert sich dem Thema dreimal: Das erste Mal geht er vom Individuum aus. Er schildert, wie Menschen heute zur Musik kommen und sie wieder verlassen. Jedes Kind liebt Krach und Musik. Den meisten von uns wird beides ausgetrieben. Wir machen keine Musik mehr, sondern hören nur noch Leuten zu, die es können. Vielleicht wird sich das wieder ändern. Smartphones erlauben uns schließlich nicht nur Filme zu drehen, sondern auch zusammenzuschneiden. Sie können das auch mit Klängen und Geräuschen. Jeder von uns hat die Chance, Komponist der Musik zu werden, die er mag oder doch wenigstens der, die er kann.

Bei Spitzers zweitem Anlauf geht es um die Rolle der Musik in der Weltgeschichte. Und der dritte, der längste, beschäftigt sich mit der Rolle der Musik in der Evolution. Am Anfang war die Vibration. In manchen Diskotheken, habe ich mir sagen lassen, geht es noch immer vor allem um sie. Spitzer schreibt: „Wir hören immer noch Echos des Urknalls vor 13,8 Milliarden Jahren … . Die neue Wissenschaft Astroseismologie postuliert, dass Sterne aufgrund der Turbulenzen in ihren äußeren Schichten genau wie Musikinstrumente schwingen oder vibrieren.“ Wir können sie nicht hören, durch Beschleunigung aber hörbar machen. Der englische Komponist Trevor Wishart tat das 2017, als er die Daten von Supernova-Explosionen in für uns zugängliche Klänge transformierte und mit seinem Stück „Supernova“ die Sphärenmusik des Pythagoras der Menschheit endlich zu Gehör brachte.

Das ist nur einer von vielen Anfängen. Immerhin ist es der Anfang von allem, das wir heute kennen. Und Musik – wenn wir das denn so nennen wollen – war offenbar immer dabei.

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